Sitzung des Kreisausschuss am 10. Mai 2021
In der Sitzung wurde an erster Stelle die Beschlussvorlage zur finanziellen Unterstützung eines Kunstprojektes des Vereins Dokumentationsstätte KZ Hersbruck behandelt. Das Projekt war ursprünglich dafür geplant, einen Beitrag des Landkreises für die Aktion Kulturhauptstadt Nürnberg zu liefern. Obgleich die Stadt Nürnberg aus der Bewerbung um den Titel herausgefallen ist, sollte mit dem vorliegenden Beschluss das Projekt weitergeführt werden.
Das Projekt mit dem Namen „Orte des Leidens in Orte der Menschlichkeit wandeln“ soll, laut Verein, neben Informationen über den Betrieb des damaligen KZ zur Weiterentwicklung des demokratischen Verständnisses bei den Bürgern und zur Entwicklung einer offenen Gesellschaft beitragen. Es soll ein Projektbüro aufgestellt werden, unterstützt durch einen Beirat sowie einem Kuratorium. In einer zweiten Phasen sollen Künstler, Schulen und Akademien Ideen entwickeln und Kunstwerke erschaffen, die prämiert werden sollen. Dazu lag den Kreisräten eine ausgearbeitetes Konzept schriftlich vor.
Die AfD setzt in der Kulturpolitik vorrangig auf tradierte kulturelle Werte. Die detaillierte Darstellung der jeweiligen Verbrechen des Nationalsozialismus gehört nach ihrer Ansicht nicht dazu. Auch sind keine positiven Effekte, wie Förderung des demokratischen Verständnisses, darin zu erkennen. Die knappen staatlichen Mittel sollten dementsprechend verwendet werden. Das geplante Projekt hat einen Finanzierungsrahmen von 112.000 €, 50.000 € davon sollte der Landkreis geben, wovon auch die Realisierung des Gesamtprojekts abhängt.
Die AfD steht mit dieser Auffassung nicht alleine da. Auch weite Teile der Bevölkerung halten wenig von der Ausbildung eines regelrechten Kultes für die Darstellung der Verbrechen des Nationalsozialismus über die bestehenden Dokumentationen hinaus und dem verstärkten Einsatz von Steuermitteln für diese Zwecke. Im Rahmen der Diskussion plädierte Kreisrat Klaus Norgall für eine Ablehnung und stellte die jeweiligen Motivationslagen für und gegen die Durchführung des Projekts in einm Redebeitrag im Kreisausschuss dar:
Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen,
so wie sich das anhört ist das Ganze ja schon gut vorbereitet und wir bräuchten uns nur noch drüber im Klaren sein, dass wir dem allen zustimmen sollten. Also ich möchte auch sagen: Es sind wichtige Hintergründe zu beleuchten und vielleicht werden Sie, nachdem Sie meine Erläuterungen gehört haben mir zustimmen, diesem Beschlussvorschlag nicht zusagen, denn es geht immerhin um 50.000 EUR, die wir hier rein setzen. Und wofür wir die ausgeben, das sollte man sich schon gründlich überlegen.
Unsere Gesellschaft ist in der Frage des Nationalsozialismus, eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte, nicht ganz so einig wie es hier dargestellt wird und zwar nicht in der Frage, ob es sich um Verbrechen handelte, die Verbrechen des Nationalsozialismus, sondern in der Frage inwieweit man diesen Verbrechen Aufmerksamkeit schenken soll nach 75 Jahren Frieden in Europa. Unsere Gesellschaft ist im Gegensatz dazu [Tenor der Beschlussvorlage] tief gespalten. Das habe ich seit meiner Jugend festgestellt, schon damals haben sich Leute, besonders die, die früher gelebt haben in der Zeit des Nationalsozialismus, darüber beschwert, dass diese Dinge dargestellt werden und andere Dinge im Deutschsein weniger zu Wort kommen. Diese Spaltung sollte meiner Meinung nach nicht gefördert werden.
Auf der einen Seite, und das ist die offizielle von Medien und der derzeitigen Regierung vertretene Seite, steht ein Lager, das im Prinzip aussagt:
Die deutsche Schuld aus der Zeit des Nationalsozialismus müsse deutlicher hervorgehoben werden, und das muss sich in entsprechenden kulturellen Projekten niederschlagen. Und der Vorschlag, der hier vorliegt ist so ein kulturelles Projekt.
Aber auf der anderen Seite und das ist eher die Seite, die schweigsam ist, die still ist und sich nicht so getraut, sich ihre Meinung zu äußern, weil Sanktionen fürchtend, eine Bürgerlichkeit, die sich von der negativen Seite der deutschen Geschichte betonend, gedemütigt fühlt, und auch dadurch, dass sie sich ständig als Tätervolk bekennen muss. Wenn wir auf Angehörige anderer Nationen blicken, dann sehen wir, dass dieses Bewusstsein, so wie wir das jetzt äußern, mit einem Schuldbekenntnis, trotz vorliegender Ähnlichkeiten dunkler Kapitel in deren Geschichte nicht so vorliegt. Sie sprechen selten von Tätervolk. Die amerikanische Geschichte hat auch dunkle Seiten, da gibt es keine Monumente dafür.
Wir wollen die Meinung der Menschen in unserem Landkreis stützen und ich bin der Meinung, dass diese Auffassung auch gehört werden muss und viele sind der Auffassung, dass hier ein bisschen zu viel gemacht wird. Und das möchte ich noch weiter ausführen.
Das ist ein Schuldkult, der hier getrieben wird. Es ist ja eine kulturelle Veranstaltung um die deutsche Schuld [das zu beschließende Projekt], also kann man von einem Schuldkult sprechen und der wird nicht seit kürzlich gepflegt, sondern schon seit Jahrzehnten, nur die Übersteigerung in den letzten Jahren ist hier festzustellen.
Und es scheint aber doch verwunderlich, dass im Zeitenlauf sich die damaligen Ereignisse zwar immer weiter entfernen, aber statt, dass man jetzt das Ganze zurückfährt, und sagt irgendwann müsse doch mal Rechtsfriede herrschen, wird das immer weiter verstärkt. Wie kann denn jemals Frieden eintreten in diesen Dingen, wenn wir uns immer weiter hinein vertiefen. Ich denke man sollte das schon einmal berücksichtigen. Schließlich handelt es sich doch nicht um unsere Schuld, sondern die Verbrecher, die sich da schuldig gemacht haben, sind diejenigen und doch selbst längst verstorben. Für Schuld sind die schuldigen Personen schuldig und nicht andere. Eine darüber hinausgehende Kollektivschuld ist weder zu konstituieren noch zu konstruieren. Unsere eigene Schuld spielt sich im Hier und im Jetzt ab und von dieser auf uns geladenen Schuld gibt es auch genug, worum wir uns kümmern könnten.
Als Beispiel möchte ich unseren sorglosen Umgang mit immer verschwenderischeren Lebensstil anführen. Es wird immer mehr gemacht, immer mehr Dinge in die Welt gesetzt, dafür sind wir verantwortlich und für die Konsequenzen dafür, und darum sollten wir uns kümmern. Und damit hätten wir unsere Mühe. Das ist nur ein Beispiel, es gäbe noch viele andere und deren Konsequenzen zu betrachten. Stattdessen bemühen wir uns um sogenannte Aufarbeitung längst verlorener Schlachten. Und fast schäme ich mich schon dafür, explizit sagen zu müssen: Was soll dieser gigantische Aufwand? Von den damals Getöteten wird niemand mehr zum Leben erweckt werden können. Was wir tun können ist: Das Prinzip hoch halten, das Leben zu achten. Das ist das Wichtigste und diese Achtung Realität werden zu lassen im tagtäglichen Sein in der jeweiligen Situation. Das ist es, wo wir uns am wenigsten schuldig machen. Es geht um unsere eigene Schuld, nicht um die derjenigen, auf die wir hier zeigen wollen.
Wichtig ist, dass wir uns im Hier und Jetzt nach besten Wissen und Gewissen verhalten. Immer wieder mit dem Finger auf die damalige Zeit zu zeigen, ist wenig gewinnbringend.
Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, der Teufel würde immer im gleichen Gewand eines Nationalsozialismus in Erscheinung treten.
Ich appelliere hier noch einmal, die Mittel nicht für eine weitere Vertiefung in die dunkle Seite der Geschichte zu investieren, sondern in positive, identitätsstiftende Projekte. Wir haben im gleichen Areal zum Beispiel die älteste Keltensiedlung hier in der Gegend, da könnte man auch kulturell was daraus machen. Ich denke das würde uns mehr aufbauen als die deprimierenden Geschichten von damals.
Dankeschön für Ihre Aufmerksamkeit.
Nach dem Redebeitrag wurde der Redner heftig von Kollegen aus den anderen Fraktionen verbal attackiert. Am Ende stimmten 13 Kreisräte für den Beschluss mit einer Gegenstimme von Klaus Norgall.
Am 12. Mai erschien in der Lokalpresse des Landkreises und am 13. Mai im Regionalteil der Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung ein Artikel mit dem Titel „AfD-Mann relativiert NS-Verbrechen“ mit weiteren diffamierenden Aussagen. Eine wertende Aussage zu den NS-Verbrechen ist in obiger Rede nicht enthalten. Dies hätte seitens der dortigen Redaktion erkannt und richtig gestellt werden müssen.