(Quelle: YouTube)
Militärische Zurückhaltung fordert in einer Rede die US-Politikerin Jill Stein am 19. Februar 2023 während einer Demo in Washington D.C.
(Übersetzung ins Deutsche. Aus dem Transkript überarbeitet von Klaus Norgall, 02.04.2023)
„Es ist so wunderbar heute hier zu sein, dass wir uns sehen, das ganze politische Spektrum, und ich möchte aus meiner Erfahrung heraus sagen, es ist nicht so sehr eine Frage von rechts oder links, in Wirklichkeit ist es eine Frage von wenigen Eliten an der Spitze und dem Rest von uns. Und davor haben sie Angst.
Und so sage ich, wir sind heute nicht nur hier, um gegen die Kriegsmaschinerie zu wettern, wir sind hier um die Kriegsmaschinerie abzubauen, weil sie uns allen schadet.
Niemandem mehr als den Menschen in der Ukraine, die das Kanonenfutter in diesem Stellvertreter-Krieg der Supermächte sind.
Wir brauchen eine Bewegung zur Überwindung dieser mächtigen Sonderinteressen, die hinter der Kriegsmaschinerie stehen, der Kriegsprofiteure, der Barone der fossilen Brennstoffe, der Barone der Krankenversicherung, die von dem Blutbad profitieren und im Interesse dieser Bewegung möchte ich heute einige der untersagten Wahrheiten darlegen über die wir nicht sprechen sollen.
Das sind die ermächtigenden Wahrheiten, die die Kriegsmaschine uns nicht wissen lassen will.
Diese kommen vor allem den Menschen zugute, die gerade erst erwachen und erkennen, dass wir alle im Fadenkreuz dieser Krise stehen.
Martin Luther King sprach vor fast 60 Jahren die erste verbotene Wahrheit aus, nämlich, dass die US-Kriegsmaschinerie heute der größte Verursacher von Gewalt in der Welt ist.
Inzwischen ist sie noch viel größer. Sie verarmt und bedroht uns alle.
Sie vergeudet zwei Drittel unseres Ermessenshaushalts. Sie gefährdet praktisch jede Dimension unserer Sicherheit, die nukleare, die wirtschaftliche, die der Ernährung, des Klimas und der Energieversorgung, einfach alles.
Wenn man sie sich selbst überlässt, wird die Kriegsmaschinerie mit ihrer Stellvertretung durch die NATO das Leben auf unserem Planeten zerstören, und sie ist bereits dabei, genau das zu tun.
Die Ausmaße der Kriegsmaschinerie sind, wie Sie vielleicht wissen, völlig unverhältnismäßig.
Die USA verfügen über etwa 800 ausländische Stützpunkte, während Russland etwa 30 besitzt. Unser sogenannter Krieg gegen den Terror setzt sich in unglaublichen 85 Ländern fort. Hören wir davon? Nicht ein bisschen!
Unsere Kriege werden in 85 Ländern geführt. Sie kosten 840 Milliarden Dollar und diese Angaben stammen übrigens vom Costs of War project der Boston University, nicht gerade eine Brutstätte des Radikalismus.
Dies sind die grundlegenden Wahrheiten, die wir nicht kennen sollen.
Unser 840-Milliarden-Dollar-Militärhaushalt entspricht den [nächstkleineren] neun Militärhaushalten zusammen [innerhalb des Rankings der Militärausgaben der Nationen] und die 100 Milliarden, die wir zur Unterstützung des Krieges in der Ukraine ausgeben sind allein schon größer als der gesamte jährliche russische Militärhaushalt.
Allein in den letzten 20 Jahren haben wir mehr als 250 militärische Interventionen unternommen und unglaubliche 6 Millionen Menschen getötet und das nur im Rahmen des sogenannten Kriegs der USA gegen den Terror. Diese mörderischen Militärausgaben verbrauchen Ressourcen die hier zu Hause dringend benötigt werden; für 70.000 Menschen, die jedes Jahr mangels Krankenversicherung sterben; für eine halbe Million Obdachlose, die jede Nacht auf der Straße leben; für 33 Millionen, die Ausbildungsschulden haben; für 100 Millionen, die medizinische Schulden haben; für 22 Millionen verarmte Kinder und für vieles andere mehr.
Die imperialen Ziele der USA sind in unserer offiziellen Militärpolitik unmissverständlich dargelegt, die als Full-Spectrum-Dominance bekannt ist. Eine allumfassende Kriegserklärung für alle Zeiten gegen alle wirtschaftlichen und militärischen Konkurrenten, ob Freund oder Feind.
Das führt zur zweiten verbotenen Wahrheit, nämlich, dass das US-Imperium seit Jahrzehnten einen Krieg mit Russland zu provozieren versucht. Wie mörderisch und illegal die russische Invasion auch sein mag, und alle Kriege sind mörderisch, und fast alle Kriege sind illegal. Diese russische Invasion war eine provozierte Reaktion auf einen noch größeren mörderischeren illegalen Plan des US-Imperiums, in dem der Sieg über Russland nur einen kleinen Teil darstellt.
Also ja, Russland ist illegal in die Ukraine eingefallen. Aber es tat dies mit vorgehaltener Pistole. Oder, in diesem Fall, mit nuklearen Sprengköpfen vor seinem Haupt.
Als das Verhältnis umgekehrt war, in der Kuba-Krise, und russische Atomwaffen vor unserer Haustür lagen, wie haben wir reagiert?
Wir haben sofort mit einem Atomkrieg gedroht.
Das relativiert die russische Invasion und macht sie im Vergleich dazu eher moderat.
Chruschtschow und Kennedy waren so vernünftig, sich zurückzunehmen und zu verhandeln. Wir müssen jetzt ihrem Beispiel folgen!
Anstatt auf Friedensgespräche einzugehen, haben die USA Milliarden an Waffen und Wirtschaftshilfe bereitgestellt, um diesen Krieg am Leben zu erhalten, und sogar die Nord Stream Pipeline gesprengt.
Damit soll offenbar verhindert werden, dass Deutschland angesichts der wirtschaftlichen Katastrophe einen Rückzieher macht. Hätten die USA keine Angst davor, herauszufinden und zu bestätigen, dass wir hinter dem Nord Stream Desaster stecken, würden wir nachforschen und nicht etwa feiern, wie wir es gerade tun.
Ich möchte noch hinzufügen, dass die nukleare Bedrohung, die von all dem ausgeht, einen Ernst der Lage höchsten Grades darstellt und wir alle befinden uns im Kreuzfeuer dieser Notlage.
Dennoch spielen unsere führenden Politiker ein nukleares Angsthasenspiel und tun so, als ob ein Atomkrieg zu gewinnen wäre.
Schon der Abwurf von 100 Atombomben würde einen nuklearen Winter auslösen, was bedeutet, dass die meisten von uns gehen und wir auf dem Weg hinaus sind. Das ist absolut inakzeptabel.
Außerdem beschleunigt der Ukraine Konflikt die Zerstörung des Klimas, welches bereits an der Schwelle des Zusammenbruchs steht.
Die Quintessenz ist diese: Dieser Krieg und die Kriegsmaschinerie, zu der er gehört, gefährden und verelenden uns alle.
Martin Luther King hatte recht, nicht nur mit der Feststellung, dass die USA der größte Verursacher von Gewalt sind, sondern auch damit, dass der Militarismus nicht allein existiert.
Er ist mit dem dreifachen Übel des Militarismus, des Rassismus und des Materialismus verbunden, wie Martin Luther King es nannte.
Deshalb ist diese Krise des Imperiums untrennbar mit der Krise der rassischen und wirtschaftlichen Gleichheit und der Krise der Demokratie verbunden, die es ermöglicht, dass unsere Politik von den meist Bietenden gekauft und bezahlt wird.
In diesem Fall sind das die Wall Street und die Kriegsprofiteure. Bei jeder dieser Krisen haben wir die Belastungsgrenze erreicht. Aus diesem Grund und um eine kritische Masse zu erreichen, brauchen wir eine breite Bewegung für Frieden, Gerechtigkeit und Demokratie, die sich mit uns gegen die politischen und wirtschaftlichen Eliten stellt, die ein Prozent gegen die 99 Prozent.
Wir brauchen diese breite Bewegung und als ersten Schritt brauchen wir einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen, um die Sicherheit und Autonomie aller Parteien zu gewährleisten, wie in den Minsker Vereinbarungen vorgesehen. Das ist keine Hexerei.
Und wie Frederick Douglas sagte, „Macht gesteht nie etwas ohne eine Forderung zu, sie hat es nie getan, sie wird es auch nie tun.“
Wir sind heute hier, um diese Forderung so lange zu erheben, bis sie nicht mehr zurückgewiesen werden kann. Unser aller Leben hängt davon ab.
Vielen Dank, dass Sie dies möglich machen.“
Text als PDF-Dokument
Jill Stein – Rede auf der Friedensdemo in Washington D.C.